Koax Elektronik: Gain, Prop, und Konsorten

Am Ende vom Artikel Koax Elektronik: Grundlegendes wurde kurz darauf hingewiesen, dass eigentlich jede Koaxelektronik gewisse Einstellmöglichkeiten bietet, um sie auf die Eigenschaften des speziellen Koax abstimmen zu können. Welche Einstellparameter im konkreten Fall vorhanden sind hängt natürlich vom Hersteller und/oder gewählten Setup ab. Einge Einstellgrößen sind jedoch immer wieder zu finden, und diese möchte ich hier erläutern. Die wichtigsten Größen sind sicherlich Gain und Prop, aber auch Begriffe wie Revo, Mischer-Rate, Expo, Throttle-Kurve, usw. tauchen regelmässig in Diskussionen auf.

Gain
Dieser Parameter beeinflusst die Wirkungsweise des Gyros in folgender Weise. Wie z.B. hier beschrieben, misst der Gyro mit Hilfe eines eingebauten Gyro-Sensors die aktuelle, tatsächliche Drehung des Koax, und versucht die Motoren genau so anzusteuern, dass die tatsächliche Drehung mit der durch den Rudder-Knüppel vorgegebenen Drehung übereinstimmt. Technisch gesehen handelt es sich um eine Regelung. Die vielleicht wichtigste Kenngröße einer jeden Reglung ist, prinzipbedingt, die Schleifenverstärkung (closed-loop gain), welche das Verhalten der Regelung maßgeblich bestimmt.

Für eine Regelung gilt: Je größer die closed-loop Gain ist desto genauer arbeitet die Regelung, wird die closed-loop Gain jedoch zu groß gewählt schwingt die Regelung.

Auf unseren Fall bezogen heißt das, je größer das Gain ist desto besser wird die Wirkung des Gyros sein, d.h. desto genauer wird die tatsächliche Drehung mit der vorgegebenen Drehung übereinstimmen. Dreht man Gain jedoch zu weit auf, fängt der Koax bzw. dessen Heck an hin-und-her zu pendeln. Idealerweise wird man nun also versuchen, das Gain genau so einzustellen, dass es möglichst groß ist ohne jedoch zu einem Pendeln zu führen. Eine übliche Einstellanleitung für das Gain lautet daher, es zunächst soweit aufzudrehen bis das Heck zum pendeln anfängt, und es anschließend wieder ein bisschen zurück zu nehmen.

Betonen will ich noch, dass für die closed-loop Gain die gesamte Regelschleife entscheidend ist, d.h. also die ganze Wirkungskette bestehend aus Koaxelektronik (Gyro, Mischer, (B)ESC), Motoren, Rotoren, Gewicht des Helis und Hecks (Trägheitsmoment), usw.. Ändert man einen Teil in dieser Kette, dann wird sich im Regelfall auch die closed-loop Gain ändern sowie der optimale Einstellpunkt. Es kann auch vorkommen, wie es z.B. gerade bei brushless Umbauten häufig vorkommt, dass die durch den Umbau bewirkten Änderungen an der closed-loop Gain so groß sind, dass sie mit dem durch die Koaxelektronik vorgesehenen Einstellbereich für Gain nicht mehr ausgeglichen werden können, und das Optimum nicht mehr eingestellt werden kann.

Mischer-Rate
Die Bedeutung und Funktionsweise des Mischers wurde eigentlich schon hier ausreichend betrachtet, wird aber nochmals kurz wiederholt, da sie als Grundlage zum Verständnis von Prop und Revo benötigt werden.

Die Aufgabe des Mischers ist es, bei Zugabe von Throttle die Drehzahl beider Rotoren genau so zu erhöhen, dass sich zwar der gesamte Schub erhöht der Koax dabei jedoch nicht dreht, während sich bei Zugabe von Rudder die Drehzahl beider Rotoren gegensinnig erhöhen und erniedrigen soll, so dass sich der Koax in die gewünschte Richtung dreht ohne dabei den gesamten Schub zu verändern. Formelmäßig wird das so dargestellt:

Mot A = Thro - a \cdot Rudd,
Mot B = Thro + a \cdot Rudd,

wo a die Mischrate angibt, also wie stark das Rudder-Signal auf die Drehzahl der Rotoren einwirkt.

An dieser Stelle habe ich nicht explizit festgelegt, was für ein Signal Mot A und Mot B genau sein soll, je nach Fall kann damit z.B. die PWM duty cycle bei einer ESC gemeint sein, oder die Länge des PPM-Eingangspulses bei einer BESC (Thro und Rudd sind offensichtlich PPM-Signale). Diese Feinheiten sind für eine konkrete Implementierung natürlich wichtig, für die prinzipiellen Überlegungen hier aber unwesentlich. Ich werde daher einfach von der Motorspannung sprechen.

Prop und Revo
Wenn alles beim Koax ideal wäre, dann würde eine Mischfunktion wie eben beschrieben perfekt passen, aber leider ist natürlich nicht alles ideal. Tatsächlich gibt es beim Koax mehrere Probleme. Neben allen Unzulänglichkeiten wie nicht exakt identischen Motoren, Rotoren, etc. gibt es auch einige prinzipbedingte Ungleichmäßigkeiten. Z.B. hängt am oberen Rotor zusätzlich die Paddelstange. Die obere Ebene dreht sich daher bei gleicher Motorspannung i.A. langsamer und bewirkt i.A. ein anderes Drehmoment auf den Koax als die untere Ebene. Bei gleicher Motorspannung an beiden Motoren wird der Koax nicht ruhig in der Luft stehen, sondern sich drehen. Einen ähnlichen Effekt hat auch die unterschiedliche Reibung der inneren und äußeren Welle, und so weiter und so fort. Um Effekte dieser Art auszugleichen müssen wir also dem oberen Motor ein andere Motorspannung zukommen lassen als dem unteren Motor.

Im einfachsten Fall, welcher außer für „Luxus“-Anwendungen völlig ausreicht, ist der Zusammenhang zwischen Throttle und Rudder und den Motorspannungen für Motor A und B linear. Für jeden Motor ist die Gaskurve also einfach eine Gerade, natürlich mit den entsprechenden Begrenzungen auf allen Seiten. Und wie jeder einmal gelernt hat ( 😳 ), wird eine Gerade durch zwei Größen eindeutig festgelegt, z.B. die Steigung und der Punkt wo die Gerade die x-Achse schneidet. Die letztere Größe nenne ich jetzt mal den Throttle-Punkt. Jetzt haben wir aber zwei Motoren, und es gibt kein Gesetzt das besagt, dass beide Motoren die gleiche Gasgerade haben müssen… Das heißt, der Throttle-Punkt für den einen Motor kann größer/kleiner sein als der für den anderen Motor, und die Steigung für den einen Motor kann größer/kleiner sein als für den anderen Motor.

Mit Prop verschiebt man die Gasgeraden bzw. die Throttle-Punkte für den oberen und unteren Motor gegeneinander, und mit Revo verändert man deren Steigungen.

Um z.B. im Schwebezustand eine Drehung des Koax auszugleichen, verschiebt man die Throttle-Punkte bzw. die Gasgeraden gegeneinander, so das bei gleicher Throttle-Stellung (und Rudder in Mittelstellung) der eine Motor eine größere Motorspannung bekommt als der Andere. Das ist Prop, und eigentlich bietet jede Koaxelektronik diese Einstellmöglichkeit. Als Formel ausgedrückt würde das lauten:

Mot A = Thro - a \cdot Rudd - Prop,
Mot B = Thro + a \cdot Rudd + Prop.

Jetzt muss das aber noch nicht ideal sein. Zumindest intuitiv erscheint es einsichtig, dass je nach Throttle-Stellung auch andere Werte für Prop benötigt werden um den Heli von einem Drehen abzuhalten. Welche Gründe allerdings bei den Koaxen genau dazu führen ist, soweit ich das sehe, nicht zu 100% klar, für Single-Rotor-Helis ist der Effekt aber wohl bekannt. Ein Throttle-abhängiges Prop entspricht aber nichts anderem als unterschiedliche Steigungen der beiden Gasgeraden für die zwei Motoren. Das ist Revo. Wieder als Formel ausgedrückt:

Mot A = (1 + Revo)\cdot Thro - a \cdot Rudd - Prop,
Mot B = (1 - Revo) \cdot Thro + a \cdot Rudd + Prop.

Wenn man sich jetzt ein Blatt Papier nimmt und ein paar Geraden aufmalt erkennt mal schnell, dass wenn man die Steigung einer der Gasgeraden ändert sich auch der Wert von Prop bei der Throttle-Stellung für’s Schweben ändert… d.h., ändert man Revo muss i.A. auch Prop wieder neu eingestellt werden. Dem kann man etwas abhelfen, in dem man sich mit Prop auf die Throttle-Stellung bezieht, bei der der Koax z.B. schwebt, welche ich Hover-Throttle nennen möchte. Wieder als Formel ausgedrückt:

Mot A = (1 + Revo)\cdot Thro - a \cdot Rudd - Prop - Revo \cdot HoverThro,
Mot B = (1 - Revo) \cdot Thro + a \cdot Rudd + Prop + Revo \cdot HoverThro.

Oft wird es jedoch ausreichend gut funktionieren, für HoverThro die Throttle-Mittelstellung zu wählen, wenn dieser weitere Einstellparameter vermieden werden soll.

Bei den Betrachtungen bisher habe ich die Wirkung des Gyros außen vor gelassen, was nun nachgeholt wird. Die obigen Bemühungen zielten darauf ab, die Unzulänglichkeiten des Koax abzubilden und ungewollte Drehungen sozusagen vorausschauend zu vermeiden, oder zumindest zu verringern. Der Gyro im Gegensatz bemüht sich aktiv darum eine tatsächlich gerade auftretende Abweichung der Drehung vom Soll zu korrigieren. Ein Rate-Gyro kann eine Drehung bei schnellen Throttle-Stößen ausregeln und so ein fehlendes Revo kompensieren, jedoch nicht eine schlechte Trimmung, d.h. falsches Prop. Ein HH-Gyro kann dem gegenüber im Prinzip beides kompensieren, sowohl Revo wie auch Prop. Es ist aber einsichtig, dass der Gyro desto besser seine Arbeit verrichten wird, je mehr man ihn von unnötiger Arbeit befreit, d.h., je kleine die Abweichungen die er auszuregeln hat a priori sind.

Mit Prop und Revo werden viele Unzulänglichkeiten des Koax ausgeglichen, bzw. wird, wenn ein HH Gyro benutzt wird, diesem die Arbeit erheblich vereinfacht.

Als ein praktisches Beispiel sind die Gaskurven für die beiden Motoren für die ESky EK2-0705B 4in1 (die „Alte“) dargestellt. Auf den ersten Blick sieht der Plot vielleicht etwas wild aus. Auf der x-Achse ist das PPM Signal welches Throttle entspricht angegeben, und auf der y-Achse der dazugehörige PWM duty cycle für den jeweiligen Motor in blau (Motor A) bzw. rot (Motor B). Die verschiedenen Kurven wurden für die Rudder-Stellungen 0%, 25%, 50%, 75%, und 100% aufgezeichnet.

esky 4in1 ek2-0705b no4 pwm vs ppm olliw

Die unterschiedliche Steigung der Gasgeraden für den oberen und unteren Motor sind offensichtlich, und bei der Schwebe-Stellung von Throttle (etwa bei 450 us im Plot) ist der duty cycle für den oberen Motor ganz klar größer als für den Unteren, entsprechend einem Prop. Diese Verhältnisse sind vielleicht am leichtesten für das Kurvenpaar für Rudder-Mitte (50%) zu erkennen.

Expo
(kommt noch)

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