Zur PWM Ansteuerung von Elektromotoren

Angeregt durch eine von Helmut Schenk im RCLine Forum angestossene Diskussion habe ich mich intensiver mit dem Thema der PWM Ansteuerung von Elektromotoren beschäftigt. Naiverweise könnte man meinen, dass sich der Motor nicht viel anders als beim Gleichstrombetrieb verhalten sollte, und man als Spannung einfach die mittlere Spannung U_B DC nehmen kann, wobei U_B die Spannung der Batterie und DC das PWM Taktverhältnis (duty cycle) bezeichnet. Dem ist aber nicht so. Dies liegt zum einen an der Induktivität L der Motorwicklungen, die im Gegensatz zum Gleichstrombetrieb beim PWM Betrieb nun eine Rolle spielt, und zum anderen an der Freilaufdiode, welche in jeder PWM Schaltung vorzusehen ist (um Überspannungen wiederum aufgrund der Motorinduktivität zu vermeiden).

Tatsächlich ist nicht die Motorinduktivität alleine entscheidend,sondern das Verhältnis \tau/T, wobei \tau = L/R die Zeitkonstante für das RL-Glied bestehend aus Motorinduktivität L und Motorwiderstand R ist, und T die PWM Periodendauer bezeichnet.

Ich habe meine Überlegungen sehr ausführlich im Skript Überlegungen zur PWM Ansteuerung von Elektromotoren [.pdf] zusammengefasst. Im Folgenden wird zunächst eine kurze Zusammenfassung gegeben, und anschliessend stelle ich einige Überlegungen und Ergebnisse aus dem Skript in Auszügen dar.

Kurze Zusammenfassung:

1. Motorgrößen: In den Formeln zur Beschreibung des Motors und dessen Verhalten tauchen eine Reihe von Größen auf: U_B, k, M_V, R, \tau/T, DC^*, DC, \omega, \bar{I}, und \bar{M}. Die ersten fünf Größen sind Parameter welche den vorliegenden Motor + Regler + Akku charakterisieren, während die letzten fünf Größen den Betriebszustand des Motors beschreiben. Die Größe DC^* spielt dabei eine Sonderrolle. Sie ist für den Betriebszustand mitentscheidend, kann jedoch vom Benutzer nicht direkt kontrolliert werden.

Die Einheit aus Motor + Regler + Akku ist durch die Parameter U_B, k, M_V, R und \tau/T beschrieben.
Der Betriebszustand ist durch die „einstellbaren“ Größen DC, \omega, \bar{I}, und \bar{M} bestimmt, sowie einer Größe DC^*, welche jedoch nur implizit auftaucht.

2. Motorgleichungen: Für die Motorgleichungen findet man „genau“ die gleichen Formeln wie beim Gleichstrombetrieb, also

\bar{M} = k \bar{I} - M_V,   (Gl. 1)
\bar{U} = k \omega + R \bar{I},   (Gl. 2)

wobei k die Motorkonstante und \omega die Drehzahl des Motors ist (ich mache mir nicht die Mühe sprachlich zwischen Winkelgeschwindigkeit \omega, Drehfrequenz f = \omega/2\pi und Drehzahl n = \omega 30/\pi zu unterscheiden). Der Balken über den Symbolen, wie z.B. in \bar{U}, bedeutet die zeitliche Mittelung über eine PWM Periode. Es ergeben sich allerdings auch entscheidende Unterschiede:

3. Motorspannung: Für den Motorzustand ist nicht wie evtl. vermutet die „mittlere Batteriespannung“ U_B DC relevant, sondern die mittlere Spannung über den Motor ist gegeben durch

\bar{U} = U_B DC + k \omega ( 1- DC^* ).   (Gl. 3)

DC^* ist eine im PWM Betrieb neu hinzukommende Größe um das Motorverhalten zu beschreiben, und sie spielt tatsächlich eine entscheidene Rolle.

4. Betriebszustände: Aufgrund der nichtlinearen Arbeitsweise der Freilaufdiode sind für den Betriebszustand des Motors zwei Fälle zu unterscheiden, der Fall ohne Stromlücke und der Fall mit Stromlücke (auf das Auftreten einer Stromlücke bin ich als erstes von Helmut Schenk hingewiesen worden). Welcher Fall vorliegt, wird durch DC^* bestimmt:

Für DC^* \ge 1 liegt der Fall ohne Stromlücke und für DC^* < 1 der Fall mit Stromlücke vor.

Der Übergang vom Fall mit Stromlücke zum Fall ohne Stromlücke findet genau bei DC^*=1 statt. Dieser Grenze kann, siehe nächster Punkt, eine Grenzfrequenz \omega_g(DC) zugeordnet werden, welche noch von DC abhängt. Welcher Fall vorliegt, lässt sich dann auch so formulieren:

Für \omega < \omega_g liegt der Fall ohne Stromlücke und für \omega \ge \omega_g der Fall mit Stromlücke vor.

5. Bestimmungsgleichung: Der Wert von DC^* ist gegeben durch die Bestimmungsgleichung

\fdrac{k \omega}{U_B} = \dfrac{ e^{ \frac{T}{\tau}DC} - 1 }{ e^{ \frac{T}{\tau}DC^*} - 1 }.   (Gl. 4)

Der Wert von DC^* hängt also von DC und \omega ab, kann dabei jedoch nicht beliebige Werte annehmen, sondern es gilt die Einschränkung DC \le DC^* \le \frac{U_B}{k \omega} DC. „Dummerweise“ hängt nun der Wert von \omega indirekt wegen Gl. (3) wiederum von DC^* ab, so dass sich ein implizites Gleichungssystem ergibt, welches nicht immer analytisch zu lösen ist (was die Schwierigkeit aussmacht).

Die im vorhergehenden Punkt (4) angesprochene Grenzfrequenz \omega_g(DC) ergibt sich aus Gl. (4) wenn man DC^*=1 einsetzt. Das Ergebnis braucht hier nicht angeschrieben werden.

An dieser Stelle ist es nützlich zu verabreden den Wert von DC^* auf 1 zu begrenzen, d.h., in allen Gleichungen ausser der Bestimmungsgleichung (4) soll \min(DC^*,1) benutzt werden. So lassen sich die Fälle mit und ohne Stromlücke gemeinsam behandeln, bzw. lassen sich alle Formeln (ausser natürlich Gl. (4)) einfacher anschreiben.

6. Leistungsbilanz: Die Leistungsbilanz lässt sich formal sehr ähnlich zum Gleichstrombetrieb formulieren,

\bar{P}_{el} = k \omega \bar{I} + R \bar{I}^2 + P_{PWM} = \bar{P}_{mech} + R \bar{I}^2 + P_{V} + P_{PWM},   (Gl. 5)

wobei der PWM-Verlust P_{PWM} eingeführt wurde, für den P_{PWM} \ge 0 gilt. Diese Ähnlichkeit sollte aber nicht zur Annahme verführen, dass sich bzgl. der Leistungsbilanz ein zum Gleichstrombetrieb ähnliches Verhalten ergibt. Tatsächlich ist die Situation sehr kompliziert, und ich habe bisher (noch) keinen vernüftigen Zugang dazu gefunden. Es lassen sich allerdings zwei allgemeingültige Aussagen treffen:

Der Wirkungsgrad ist beim PWM Betrieb immer schlechter als beim Gleichstrombetrieb.
Der Wirkungsgrad ist im Fall mit Stromlücke schlechter als im Fall ohne Stromlücke.

Das hört sich nun drastisch an, und kann unter Umständen auch drastisch schlechtere Wirkungsgrade bedeuten, aber wenn man nichts „falsch“ macht, ist dieser Effekt nicht sehr bedeutend.

7. Motorverhalten: Das Motorverhalten ist aufgrund der Komplikation, dass beim PWM Betrieb eine Stromlücke auftretten kann, beschrieben durch DC^*<1, komplizierter zu diskutieren als im Gleichstrombetrieb. Es können jedoch einige allgemeine Aussagen getroffen werden. Gleichungen (2) und (3) lassen sich zusammenfassen zu

U_B DC = k DC^* \omega +  R \bar{I},   (Gl. 6)

welche eindrücklich zeigt, dass die wirksamen elektromotorische Konstante, k DC^*, durch das Aufretten einer Stromlücke, DC^*<1, entsprechend der Breite der Stromlücke verkleinert wird. In einem Betriebsbereich in dem sich eine Stromlücke öffnet wird der Motor also elastischer, d.h. seine Drehzahl wird empfindlicher auf Strom- bzw. Laständerungen reagieren. Zu beachten ist, dass die Drehmomemtkonstante in Gl. (1) durch das Auftretten einer Stromlücke nicht beeinträchtigt wird.

Die wirksame elektromotorische Konstante des Motors bzw. dessen Steifigkeit (bzgl. der Spannung) erniedrigt sich bei Auftretten einer Stromlücke; sie wird um so kleiner je breiter die Stromlücke ist.

Die Frage wann genau eine Stromlücke auftritt und wie breit sie ist, läßt sich leider nicht so einfach beantworten, tendenziell gilt jedoch:

Eine Stromlücke tritt tendenziell bei großen Drehzahlen, kleinen Lasten bzw. Strömen, und/oder großen Taktverhältnissen auf.

8. Idealfall: Für \tau/T \rightarrow \infty, also sehr große Induktivitäten bzw. Verhältnisse \tau/T, treten Stromlücken praktisch nicht mehr auf, die Motorspannung ist durch die mittlere Batteriespannung gegeben, \bar{U} = U_B DC, und der PWM-Verlust wird Null, P_{PWM} = 0.

Für \tau/T \rightarrow \infty ergibt sich der Idealfall, d.h. ein Motorverhalten und eine Leistungsbilanz wie im Gleichstrombetrieb.


Überlegungen zur PWM Ansteuerung von Elektromotoren [.pdf] (letzte Änderung 2.4.2011)

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